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Soziale Nachhaltigkeit in der Beschaffung von IKT-Produkten

Forderung von Nachweisen zur Überprüfung der ILO-Kernarbeitsnormen

  • Author: Lara Biehl
  • Category of articles: Public procurement law
  • Field of law: Public procurement law
  • Collection: IT-Beschaffungskonferenz der Berner Fachhochschule BFH und der Universität Bern
  • DOI: 10.38023/5577961f-e35f-4205-898a-64a61410f20b
  • Citation: Lara Biehl, Soziale Nachhaltigkeit in der Beschaffung von IKT-Produkten, in: Jusletter IT 20. August 2024
Das revidierte Vergaberecht verlangt von Beschaffungsverantwortlichen, Nachhaltigkeitsaspekte in Ausschreibungen zu berücksichtigen. Dazu gehört auch die soziale Nachhaltigkeit, die vor allem die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften umfasst. In einigen Branchen, z.B. im IKT-Sektor, sind Verstösse gegen die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sehr ausgeprägt und erstrecken sich über alle Stufen der Lieferkette. Aus Gründen der Sorgfaltspflicht sind Beschaffungsstellen in der Verantwortung, die soziale Nachhaltigkeit in den Lieferketten der Produkte, die sie beschaffen, zu überprüfen und zu fördern. Der folgende Artikel zeigt einerseits auf, warum es notwendig ist, dass Beschaffungsstellen die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen überprüfen. Andererseits evaluiert er zwei Varianten, wie Beschaffer*innen eine solche Überprüfung im IKT-Bereich vornehmen können.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Vom Rohstoffhandel zur Endmontage: Soziale Probleme innerhalb der IKT-Wertschöpfungskette
  • 3. Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als zwingende Teilnahmebedingungen
  • 3.1. Notwendigkeit einer Risikoanalyse
  • 3.2. Nachweise: Sorgfaltspflicht geht über Selbstdeklaration hinaus
  • 4. Die Überprüfung der ILO-Kernarbeitsnormen im IKT-Bereich
  • 4.1. Variante A: Einforderung von Zertifikaten oder Verifizierungen
  • 4.1.1. Chancen bei der Verwendung von Zertifikaten oder Verifizierungen
  • 4.1.2. Herausforderungen bei Nachweisen, die auf Sozialaudits basieren
  • 4.2. Variante B: Überprüfung der ILO-Normen durch Electronics Watch
  • 4.2.1. Chancen eines Beitritts zu Electronics Watch für Beschaffungsstellen
  • 4.2.2. Herausforderungen für Beschaffungsstellen beim Electronics-Watch-Modell
  • 5. Exkurs: Humanitäre Krisen im Schatten der Rohstoffgewinnung – Beschaffung von Rohstoffen aus der Demokratischen Republik Kongo
  • 6. Fazit
  • 7. Bibliografie

1.

Einleitung ^

[1]

Mit der Vergaberechtsrevision von 2021 wurde das Wirtschaftlichkeitsprinzip im öffentlichen Beschaffungsrecht der Schweiz um das Prinzip der Nachhaltigkeit erweitert (Art. 2 des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen, BöB). Dies bedeutet, dass sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Nachhaltigkeitsaspekte bei Beschaffungen zu berücksichtigen sind, um nicht nur einen Preiswettbewerb, sondern auch einen Qualitätswettbewerb zu erreichen (Art. 41 BöB).

[2]

Die Reform des Vergaberechts markiert einen «Paradigmenwechsel», da Nachhaltigkeit in ihren drei Dimensionen (ökonomisch, ökologisch, sozial) nun explizit als Gesetzesziel verankert ist (Steiner & Klingler, 2023; Steiner, 2020; Koch, 2023, S. 20). Hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeit regelt Art. 12 BöB die zwingenden Teilnahmebedingungen als obligatorische Mindestanforderungen. Dabei unterscheidet er zwischen Mindestanforderungen an Anbieter mit Leistungsort in der Schweiz (Art. 12 Abs. 1) und solchen mit Leistungsort im Ausland (Art. 12 Abs. 2). Liegt der Leistungsort in der Schweiz, müssen die Anbieter die Vorschriften über den Arbeitsschutz, die Arbeitsbedingungen und die Gleichbehandlung von Frau und Mann einhalten (Art. 12 Abs. 1 BöB). Befindet sich der Leistungsort im Ausland, so sind mindestens die acht Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verbindlich (Art. 12 Abs. 2 BöB), die unter anderem die Beseitigung der Zwangsarbeit und der Kinderarbeit sowie den Schutz des Vereinigungsrechts fördern. Art. 12 Abs. 5 sieht vor, dass die Auftraggeber die Einhaltung dieser Teilnahmevoraussetzungen überprüfen können – z.B. durch eine Selbstdeklaration oder durch anerkannte Zertifizierungssysteme wie Labels und Zertifikate.

[3]

Besonders im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind soziale Missstände entlang der Lieferkette ausgeprägt. Trotz regionaler Unterschiede sind fast alle Arbeiter*innen, die an der Herstellung von IKT-Produkten beteiligt sind, mit ausbeuterischen Arbeitsbedingungen konfrontiert und es besteht ein hohes Risiko, dass ILO-Kernarbeitsnormen verletzt werden. Hierzu zählen Niedriglöhne, unzureichender Gesundheitsschutz, ungeregelte und exzessive Arbeitszeiten sowie Zwangs- und Kinderarbeit. Konflikte in Rohstoffregionen verschärfen die humanitären Herausforderungen in diesem Sektor zusätzlich (siehe z.B. Verité, 2014; Ames & Schurath, 2018).

[4]

Dies stellt öffentliche Beschaffer*innen bei der Überprüfung der ILO-Kernarbeitsnormen in der Lieferkette von IKT-Produkten vor eine Reihe von Schwierigkeiten. Zum einen erschwert die hohe Komplexität der IKT-Wertschöpfungsketten die Rückverfolgbarkeit der Produktionsprozesse. Zum anderen sind viele Herausforderungen bei der Beschaffung von IKT-Produkten struktureller Natur. Hersteller und Händler von IKT-Geräten profitieren von systemischen Missständen wie gewerkschaftsfeindlichen Praktiken und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in Rohstoff- und Produktionsländern. Diese Missstände führen in der Regel zu niedrigeren Rohstoff- und Produktionskosten, was wiederum höhere Gewinnmargen für Markenunternehmen ermöglicht (Beck, 2013, S. 11–23).

[5]

In diesem Artikel wird untersucht, auf welche Nachweis- und Unterstützungsmöglichkeiten Beschaffungsstellen zurückgreifen können, um die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen bei ihren Lieferanten zu überprüfen. Es folgt eine Bewertung dieser Nachweise hinsichtlich ihrer Vorteile und möglicher Herausforderungen. Die Ausführungen beschränken sich auf Nachweismöglichkeiten, die auch von kleineren oder finanzschwächeren Beschaffungsstellen genutzt werden können. Komplexere Sozialauditsysteme oder andere Kontroll- und Einflussmechanismen, die nur von ressourcenstarken Beschaffungsstellen umgesetzt werden können, werden in diesem Beitrag nicht berücksichtigt oder nur am Rande erwähnt.

2.

Vom Rohstoffhandel zur Endmontage: Soziale Probleme innerhalb der IKT-Wertschöpfungskette ^

[6]

Die Lieferketten der meisten IKT-Produkte sind stark globalisiert und umfassen zahlreiche Zulieferer, Hersteller und Fabriken. Die IKT-Wertschöpfungskette beginnt mit der Gewinnung von Rohstoffen, entweder durch Recycling oder durch Bergbau. Der Abbau von Rohstoffen, insbesondere von sogenannten Konfliktmineralien wie Zinn, Tantal, Wolfram und Gold (3TG) sowie Kobalt und Coltan, birgt das Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen (Osburg, 2015, S. 209f.; Barume et. al., 2016, S. 9ff.). Besonders die Demokratische Republik (DR) Kongo und ihre Nachbarländer sind von diesen Problemen betroffen. Bewaffnete Gruppen versuchen im Kongo, die Kontrolle über die Abbaugebiete zu erlangen. Diese Kämpfe um die rohstoffreichen Gebiete führen zu Zwangsvertreibungen und kriegsbedingten humanitären Krisen. In den Minen herrschen zusätzlich fast immer prekäre Arbeitsbedingungen, vor allem Zwangs- und Kinderarbeit sind weit verbreitet (Faber et al., 2017, S. 10; Ames & Schurath, 2018, S. 8). Die zweite Stufe der IKT-Wertschöpfung umfasst die Verarbeitung und Vorproduktion. Die abgebauten oder recycelten Mineralien werden in Schmelzhütten und Raffinerien zu Materialien für die Herstellung von IKT-Produkten verarbeitet. Anschliessend werden diese Materialien in einem weiteren Schritt an Fabriken zur Herstellung von Unterkomponenten weitergegeben (zumeist in Niedriglohnländer in (Süd-)Ostasien, Lateinamerika und Osteuropa) (Verbrugge, 2020, S. 4). Die Endfertigung, d.h. der Zusammenbau der einzelnen Komponenten zum fertigen Produkt, stellt den letzten Schritt bei der Herstellung von IKT-Produkten dar. Sie findet zum grössten Teil in China statt (Merk, 2021, S. 67). Auf allen Produktionsstufen finden sich Verstösse gegen die meisten ILO-Kernarbeitsnormen. Besonders problematisch sind überlange Arbeitszeiten, missbräuchliches Management, Verletzung von Gewerkschaftsrechten, unklare (oder fehlende) Arbeitsverträge, niedrige Löhne und unzureichender Arbeits- und Gesundheitsschutz beim Umgang mit giftigen Stoffen (Merk, 2021, S. 67; WEED 2015, S. 7ff.). Die Gründe für diese Missstände liegen unter anderem in strukturellen Entwicklungen im internationalen Handel. Im IKT-Sektor befinden sich viele an der Produktion beteiligten Fabriken in einem Unterbietungswettlauf (sog. «race to the bottom»): Herstellungsfirmen und -fabriken versuchen, die Produktionskosten so weit wie möglich zu senken, um Aufträge von multinationalen Konzernen zu erhalten bzw. zu behalten. Um im Preiskampf mithalten zu können, werden Löhne gedrückt, Arbeitsschutzmassnahmen vernachlässigt und Umweltauflagen missachtet. Die Forderung nach immer schnelleren Produktionszyklen verschärft diese Problematik zusätzlich (Davies & Vadlamannati, 2013, S. 12; Kelly et. al., 2019, S. 5ff).

[7]

Die Intransparenz der IKT-Lieferkette erschwert die Überwachung sozialer Missstände weiter. Die meisten Markenunternehmen (wie Apple, Dell, Lenovo, HP, Nokia etc.), die als direkte Zulieferer für Konsument*innen und den öffentlichen Sektor auftreten, lagern einen Grossteil oder, wie im Fall von Apple, die gesamte Produktionskette aus (Peter, 2022, S. 6; Pun et al., 2016, S. 168f.). Markenunternehmen vergeben die Organisation der Lieferkette an Sublieferanten, sogenannte «Contract Manufacturer» bzw. «Kontraktfertiger» (z.B. Flextronic, Foxconn, Inventec). Obwohl vielen Endnutzer*innen die Namen der Kontraktfertiger nicht geläufig sind, haben sich diese in den letzten zwei Jahrzehnten zu multinationalen Konzernen entwickelt, die sich auf die Beschaffung von Materialien und die Organisation umfangreicher Arbeitsabläufe konzentrieren. Kontraktfertiger beziehen ihre Komponenten in der Regel von vielen verschiedenen Lieferanten und Sublieferanten, was die Rückverfolgbarkeit einzelner Produktkomponenten erschwert (Merk, 2021, S. 43ff.). Da Kontraktfertiger eine Schlüsselrolle im IKT-Lieferkettenmanagement spielen und erheblich an der Erfüllung der Leistung beteiligt sind, sind sie «wichtige Dritte»1 für den Hauptlieferanten. Aufgrund der Tatsache, dass Kontraktfertiger den Grossteil der Arbeitskräfte im IKT-Sektor beschäftigen – und zwar von der Rohstoffgewinnung bis zur Endmontage – ist es unerlässlich, nicht nur die direkten Zulieferer auf die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen zu überprüfen, sondern auch deren wichtige Dritte.2

Abbildung 1 : Die wichtigsten Abschnitte der IKT-Lieferkette und ihre Hauptakteure. Im Durchschnitt lagern Markenunternehmen 70% ihrer Produktionskette auf Kontraktfertiger aus (Ibid., S. 52). Weil Kontraktfertiger mit vielen kleinen und mittleren Zulieferern zusammenarbeiten, ist die Rückverfolgbarkeit einzelner Produktkomponenten für den Endkunden schwierig bis unmöglich (Grafik der Autorin).

3.

Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen als zwingende Teilnahmebedingungen ^

[8]

De, um Anbieter vom Wettbewerb auszuschliessen, wenn sie die ILO-Kernübereinkommen oder von der Schweiz ratifizierte ILO-Abkommen nicht einhalten (Art. 12 BöB i.V.m. Art. 4 VöB).3 Die Übereinkommen der ILO sind internationale Verträge, die grundlegende Prinzipien und Rechte im Bereich der Arbeit festhalten. Mit der Ratifizierung verpflichtet sich ein Staat, geeignete rechtliche und praktische Schritte zu ergreifen und regelmässig über die Fortschritte bei der Umsetzung zu berichten (International Labour Organization, n.D.). Die Schweiz hat 62 Arbeitsübereinkommen der ILO ratifiziert, darunter die folgenden acht4 Kernübereinkommen (SECO, n.D.):

Übersicht der ILO-Kernübereinkommen
Vereinigungsfreiheit und effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen:
Fundamentales Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrecht
Fundamentales Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen
Abschaffung gewisser Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit:
Fundamentales Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit
Fundamentales Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit
Beseitigung von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf:
Fundamentales Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit
Fundamentales Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
Abschaffung der Kinderarbeit:
Fundamentales Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung
Fundamentales Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Massnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (SECO, 2015)
[9]

Mit der Ausschlussmöglichkeit bei Nichteinhaltung der Kernarbeitsnormen (Art. 44 Abs. 2 lit. f BöB) soll verhindert werden, dass sich Anbieter einen Vorteil verschaffen können, indem sie bei der Produktion auf tiefe Löhne und ausbeuterische Arbeitsbedingungen setzen (Steiner, 2017, S. 44, S. 47f.). Ein weiteres Ziel dieser Massnahme ist die Vermeidung von Reputationsschäden für Schweizer Beschaffungsstellen bei Beschaffungen im Ausland.

[10]

Um festzustellen, ob ein Anbieter sowie seine wichtigsten Sublieferanten die ILO-Normen einhalten, müssen die Vergabestellen verschiedene Kontrollinstrumente einsetzen. Der Aufwand für die Überprüfung der Einhaltung der ILO-Normen ist nicht bei jeder Ausschreibung gleich, sondern hängt vom Ausschreibungsgegenstand und vom Sektor ab.

3.1.

Notwendigkeit einer Risikoanalyse ^

[11]

Nicht jeder Sektor oder jedes Produkt ist zwangsläufig von möglichen Verstössen gegen ILO-Normen betroffen. Selbst in Hochrisikosektoren oder bei Hochrisikoprodukten können verschiedene Normen unterschiedlich anfällig für Verstösse sein. Aus diesem Grund ist es in den meisten Fällen unumgänglich, eine Markt- bzw. Risikoanalyse der Lieferkette durchzuführen. Dabei geht es zuerst darum festzustellen, ob ein Produkt einer Risikobranche angehört, d.h. einer Branche, in der das Risiko der Verletzung von Arbeitsnormen üblich ist. In einem zweiten Schritt kann ermittelt werden, welche Normen genau einem Verletzungsrisiko ausgesetzt sind. Sind die Risikofaktoren identifiziert, können diese in den Ausschreibungsunterlagen gezielt abgefragt werden, indem spezifische Nachweise zu bestimmten Kernarbeitsnormen gefordert werden.5

3.2.

Nachweise: Sorgfaltspflicht geht über Selbstdeklaration hinaus ^

[12]

Das Gesetz bietet verschiedene Möglichkeiten, wie öffentliche Beschaffungsstellen Nachhaltigkeitsnachweise fordern können. Die am häufigsten praktizierte Methode ist die Verwendung einer «Selbstdeklaration» (Art. 26 Abs. 2 BöB), bei der der Anbieter auf Anfrage der Beschaffungsstelle ein Formular ausfüllt und bestätigt, dass die Vergabeanforderungen nach Art. 12 erfüllt sind. Unterzeichnet der Anbieter die Selbstdeklaration trotz Nichteinhaltung der Anforderungen, können Sanktionen bis hin zum Ausschluss vom Vergabeverfahren oder zum Widerruf des Zuschlags drohen (Art. 44 Abs. 2 Bst. f BöB). Ein Problem besteht darin, dass die in der Selbstdeklaration gemachten Angaben nicht unabhängig sind, d.h. von den Lieferanten oder Herstellern selbst stammen, und falsche oder verzerrte Angaben enthalten können, die ohne weitere Überprüfung nicht aufgedeckt werden können.6 Es ist daher besonders wichtig, dass insbesondere in Risikobranchen aus Gründen der Sorgfaltspflicht eine unabhängige Verifizierung der Selbstdeklaration erfolgt, um sicherzustellen, dass die Teilnahmevoraussetzungen erfüllt sind (siehe auch Entscheid des BVGe B-1714/2022 vom 19. September 2023, E. 118). Mit einer Due Diligence-Prüfung, d.h. einer Prüfung und Bewertung sozialer Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen, können Beschaffungsstellen sicherstellen, dass die von den Lieferanten gemachten Angaben korrekt sind und die zugesagten Standards auch tatsächlich eingehalten werden bzw. Schritte eingeleitet werden, um die Einhaltung zu gewährleisten.

4.

Die Überprüfung der ILO-Kernarbeitsnormen im IKT-Bereich ^

[13]

Im Folgenden werden zwei mögliche Vorgehensweisen bzw. Varianten zur Überprüfung der ILO-Kernarbeitsnormen (Art. 12 Abs. 5 BöB) vorgestellt und diskutiert.

[14]

Die erste Variante ist die Forderung von Zertifikaten oder Auditberichten. Diese Nachweise können von verschiedenen Nachweisgebern stammen, von denen die folgenden im IKT-Bereich am häufigsten verwendet werden:

  • Nachweis einer Mitgliedschaft in einer Unternehmens/Standard-Initiative mit Nachweis eines Auditberichts der relevanten Fabriken (z.B. amfori BSCI oder RBA);
  • Produktzertifikat mit entsprechendem Nachweis (z.B. TCO-Certified);
  • Fabrikzertifikate der relevanten Standorte (z.B. SA8000);
  • Ein qualifizierter Auditbericht aller betroffenen Fabriken.7
[15]

Alle soeben aufgeführten Nachweisformen basieren auf sogenannten «Sozialaudits». Bei einem solchen Audit wird eine Produktionsstätte anhand einer Auditrichtlinie überprüft (z.B. Kontrollen im Bereich der Arbeitssicherheit sowie Kontrollen von Arbeitsverträgen, Lohndokumenten, Arbeitszeiten, Überstundenregelungen, Kinder- und Zwangsarbeit und von Diskriminierung). Erfüllt die Fabrik alle Anforderungen, wird sie zertifiziert bzw. bescheinigt. Werden Mängel festgestellt, muss die Fabrik in der Regel einen Korrekturmassnahmenplan vorlegen. In weiteren Audits werden die Fabriken erneut überprüft oder bei Mängeln die Verbesserungsmassnahmen bewertet.

[16]

Bei der zweiten Variante verlangt die Beschaffungsstelle nicht zwingend vorab Zertifikate oder Auditberichte, sondern überprüft die Einhaltung der ILO-Normen während der Vertragslaufzeit. In diesem Fall wird der Lieferant durch eine Vertragsklausel verpflichtet, den Standort und die Namen wichtiger Fabriken von sich und relevanten Sublieferanten offenzulegen. Während der Vertragslaufzeit werden diese Fabriken dann im Sinne eines Monitorings überwacht.

[17]

Die beiden Varianten können auch kombiniert werden. Im Folgenden werden beide Varianten sowie ihre wichtigsten Nachweisformen kurz vorgestellt und mögliche Herausforderungen diskutiert.

4.1.

Variante A: Einforderung von Zertifikaten oder Verifizierungen ^

[18]

Die Forderung nach Zertifikaten ist für die Vergabestellen die einfachste Möglichkeit, die Einhaltung der ILO-Normen zu überprüfen. Zertifikate bescheinigen die Einhaltung bestimmter Normen, Regelungen oder Anforderungen. Dabei wird zwischen Produkt- und Fabrikzertifikaten unterschieden. Produktzertifikate bestätigen, dass die Herstellung eines bestimmten Produkts einem Standard oder Kodex entspricht (Beschaffungsamt des BMI, 2021, S. 35). Sie haben den Vorteil, dass sie nur Grundkenntnisse über die Arbeitsbedingungen in der IKT-Branche voraussetzen und einfach und zeitsparend in die Ausschreibungsunterlagen integriert werden können. Fabrikzertifikate hingegen beziehen sich auf konkrete Fabriken und bescheinigen die Einhaltung bestimmter Standards in einer Fabrik (Ibid.) Produktzertifikate basieren meistens auf Fabrikzertifikaten bzw. umfassen mehrere davon.

4.1.1.

Chancen bei der Verwendung von Zertifikaten oder Verifizierungen ^

[19]

Im IKT-Sektor werden vor allem «TCO-Certified» als Produktzertifikat und «SA8000» als Fabrikzertifikat für die Überprüfung sozialer Kriterien verwendet (vgl. Fuller & Rydell 2023; Social Accountability International, 2021 & 2023 für eine Erläuterung der Überprüfungsmechanismen der jeweiligen Zertifikate).8 TCO-Certified zertifizierte Produkte gibt es in fast allen wichtigen Produktkategorien der IKT-Branche. Der «TCO-Certified Product Finder» bietet die Möglichkeit, nach Produktgruppen zu filtern und alle zertifizierten Modelle anzuzeigen. Aufgrund der Vielzahl von zertifizierten Produkten verschiedener Anbieter ist die Gefahr einer erheblichen Einschränkung des Marktes z.B. bei der Produktgruppe Notebooks (mehr als 355 Modelle der neuen Generation) kaum gegeben, während es bei Smartphones nur ein zertifiziertes Produkt gibt.9

[20]

Eine beispielhafte Formulierung in den Ausschreibungsunterlagen für die Einforderung eines Nachweises für ein Produktzertifikat könnte folgendermassen lauten:

Als Nachweis der Einhaltung der ILO-Kernübereinkommen im Rahmen der obligatorischen Teilnahmebedingungen, müssen die Angebotsunterlagen einen Nachweis in Form eines TCO-Certified-Zertifikats oder eines vergleichbaren Zertifikats mit gleichwertigen Leistungsanforderungen enthalten.
[21]

Beschaffungsstellen sollten darauf achten, dass die aktuelle Version des Zertifikats verlangt wird und dass die exakte Produktkategorie angegeben wird. Wichtig ist zudem, dass gleichwertige Nachweise akzeptiert werden – einerseits, um den Markt nicht unnötig einzuschränken, und andererseits, um die Vielfalt von Zertifikaten in einigen Branchen, die vergleichbare Anforderungen oder Qualitätsstandards erfüllen, zu berücksichtigen. Dies kann in den Ausschreibungsunterlagen z.B. folgendermassen formuliert werden: «Lieferanten müssen über ein gültiges TCO-Zertifikat [Nummer oder Version] oder einen gleichwertigen Nachweis für [Produktkategorie] verfügen».

[22]

Neben Produkt- und Fabrikzertifikaten gibt es sogenannte «Unternehmens- oder Standard-Initiativen» wie Amfori BSCI oder die Responsible Business Alliance (RBA), bei denen es sich um einen Zusammenschluss verschiedener Unternehmen oder Stakeholder handelt, die sich nach einem definierten Standard richten wollen. Die an den Initiativen teilnehmenden Unternehmen erklären sich bereit, den Verhaltenskodex von Amfori BSCI bzw. RBA zu den Arbeitsprinzipien (u.a. ILO-Kernarbeitsnormen) umzusetzen und in ihren Lieferketten weiterzugeben.10 Obwohl Standardinitiativen keine Zertifizierungsstellen sind, kann in der Ausschreibung auch ein amfori BSCI oder RBA Nachweis (Audit) für relevante Fabriken des Lieferanten und seiner wichtigen Dritten gefordert werden, da viele Standardinitiative mindestens die ILO-Kernarbeitsnormen in ihren Prüfrichtlinien integriert haben.11 Die Forderung eines Audits einer Standardinitiative hat den Vorteil, dass viele Grossunternehmen der IKT-Branche über einen Standard wie RBA oder vergleichbare interne Richtlinien verfügen (Beschaffungsamt des BMI, 2021, S. 78.).

4.1.2.

Herausforderungen bei Nachweisen, die auf Sozialaudits basieren ^

[23]

Überprüfungssysteme, die auf Sozialaudits basieren, sind mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Erstens sind die Auditergebnisse nur eine Momentaufnahme und nicht zwangsläufig repräsentativ für die tatsächlichen Bedingungen in den Fabriken. Die Audits erfolgen stichprobenartig und meistens in Abständen von 24 bis 36 Monaten.12 Eine Studie von Human Rights Watch zeigt ausserdem, dass auditierte Fabriken wiederholt versuchen, Auditfirmen zu täuschen (Human Rights Watch, 2022, S. 5). Dies geschieht beispielsweise durch die fehlerhafte Beantwortung von Fragebögen, die Fälschung von Unterlagen wie Lohnausweisen oder indem die Arbeitnehmer*innen gezielt darauf geschult werden, sich gegenüber Auditor*innen auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten (Ibid., S. 15). Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei den Auditfirmen in der Regel um private Unternehmen handelt, die miteinander im Wettbewerb stehen. Es wurde beispielsweise beobachtet, dass die Auditzeit in jüngster Zeit zunehmend verkürzt wurde, um den Auftraggebern einen besseren Preis anbieten zu können. Dies birgt die Gefahr, dass weniger Gespräche mit dem Personal geführt werden und weniger Zeit für detaillierte Inspektionen bleibt, was die Aussagekraft und Glaubwürdigkeit der Auditergebnisse beeinträchtigt (Terwindt & Armstrong, 2019, S. 7; Human Rights, 2022, S. 5).

[24]

Eine weitere Problematik ist der mangelnde öffentliche Zugang zu den Sozialauditberichten. Die Ergebnisse der Audits, inklusive der identifizierten Risiken und dokumentierten Korrekturmassnahmen, bleiben der Öffentlichkeit, den Beschäftigten und den Gewerkschaften verborgen. SA8000 veröffentlicht zwar die Namen und Standorte der zertifizierten Fabriken – die eigentlichen Auditberichte, die zur Zertifizierung geführt haben, sowie Mängel und Korrekturschritte bleiben jedoch versiegelt. Bei Amfori BSCI werden selbst die Namen und Standorte der zertifizierten Fabriken nicht veröffentlicht (Human Rights, 2022, S. 5 und S. 7; Kelly et al., 2019, S. 28). Dieser Mangel an Transparenz schafft Raum für unzureichende Audits, die unbemerkt bleiben können, da weder die Gewerkschaften noch die betroffenen Arbeiter*innen die dokumentierten Missstände und damit die ausbleibenden oder erzielten Fortschritte verifizieren können (Terwindt & Armstrong, 2019, S. 19).

[25]

Eine weitere Schwierigkeit mit den vorgestellten Zertifizierungen besteht darin, dass aufgrund der Komplexität der IKT-Lieferketten in der Regel nur Fabriken der Endmontagewerke zertifiziert werden können, während die Zulieferer und Fabriken der vielen Zwischenschritte unberücksichtigt bleiben13 (Verbrugge, 2020, S. 5, siehe Abbildung 2 für eine detailliertere Auflistung zur Umsetzung der Nachweise in der Lieferkette).

[26]

Auch wenn nicht die gesamte Lieferkette durch ein Zertifikat abgedeckt ist, bieten diese Nachweise einen höheren Kontrollmechanismus als die Selbstdeklaration und liefern zumindest für die Endfertigung einen Nachweis über die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. Zudem beinhalten einige Produktzertifikate wie TCO-Certified im IKT-Bereich neben den sozialen auch ökologische Standards, so dass beide Aspekte berücksichtigt werden können. Gerade kleinere Institutionen mit wenig Ressourcen, wie Gemeinden, können so mit überschaubarem Aufwand die ökologische und soziale Nachhaltigkeit fördern. Die öffentliche Hand hat durch ihre Kaufkraft Einfluss auf den Markt, und die Forderung nach Zertifikaten kann die Nachhaltigkeitsbemühungen in der IKT-Lieferkette fördern. Zertifikate, die auf Sozialaudits basieren, können daher ein erster Ausgangspunkt für Beschaffungsstellen sein, um soziale Nachhaltigkeit in den Beschaffungsprozess zu integrieren. Aufgrund der genannten Defizite sollten sie jedoch nicht als Endpunkt einer umfassenden Strategie zur Förderung sozial nachhaltiger Beschaffung betrachtet werden.

Abbildung 2 : Übersicht der Nachweisformen (Grafik der Autorin)

4.2.

Variante B: Überprüfung der ILO-Normen durch Electronics Watch ^

[27]

Einige der Nachteile von Sozialaudits können durch den Beitritt zu «Electronics Watch» und der Übernahme deren Vertragsbedingungen bzw. des «Code of Conduct» kompensiert werden. Diese Variante kann eigenständig oder in Kombination mit Variante A in den Beschaffungsprozess von IKT-Produkten integriert werden.

4.2.1.

Chancen eines Beitritts zu Electronics Watch für Beschaffungsstellen ^

[28]

Electronics Watch (EW) ist eine dem IKT-Sektor einzigartige Monitoringorganisation, die öffentliche Beschaffungsstellen bei der fairen Beschaffung von IKT-Produkten unterstützt. Das EW-Modell basiert auf Monitoring – also der kontinuierlichen Überwachung und Bewertung von Arbeitsbedingungen der Zuliefererfabriken – und verfolgt den Ansatz «Vertragserfüllungsmanagement statt Zertifizierung» (Pawlicki, o. d., S. 88). Das bedeutet, dass Electronics Watch während der Vertragslaufzeit ein kontinuierliches Monitoring des «Code of Conduct» durchführt. Dabei werden anstelle von Sozialaudits in den Fabriken die Arbeitnehmer*innen ausserhalb der Fabriken in Interviews zu den Arbeitsbedingungen befragt.

[29]

EW arbeitet mit Monitoring-Partnern zusammen, die aus lokalen Gewerkschaften, NGOs und unabhängigen Menschenrechts- und Arbeitsrechtsexperten bestehen (für eine Auswahl an Partnern siehe: Monitoring-Partner, o. D.). Die Personen vor Ort handeln im Auftrag der EW-Mitglieder – also der öffentlichen Auftraggeber – und nicht der Wirtschaftsverbände oder der Hersteller. EW geht davon aus, dass Monitoring-Partner aufgrund ihrer Unabhängigkeit von der Privatwirtschaft eher in der Lage sind, das Vertrauen der Arbeiter*innen zu gewinnen als die von der Industrie beauftragten Auditor*innen. Dadurch erhöht sich gemäss EW die Chance, zusätzliche Informationen über die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu erhalten. Durch die lokale Präsenz der EW-Partner ist auch ein kontinuierliches Monitoring möglich, im Gegensatz zu den punktuellen Überprüfungen der Audits, die teilweise nur alle 12–32 Monate stattfinden. Ein weiterer Vorteil des EW-Modells ist, dass die Arbeiter*innen aktiv in den Optimierungsprozess einbezogen werden, indem sie Einsicht in die Auditunterlagen erhalten und über ihre Rechte aufgeklärt werden (Worker-Driven monitoring, o. d.).

[30]

Der Ansatz von EW konzentriert sich auf die Vertragserfüllung und nutzt den oben beschriebenen Zugang zu den Monitoring-Partnern als Überprüfungsmechanismus. Die Sicherstellung der Einhaltung der ILO-Normen erfolgt nicht wie bei Variante A durch eine «vorherige» Überprüfung des Lieferanten und seiner relevanten Dritten durch Zertifikate, sondern durch eine langfristige Überwachung während der Vertragslaufzeit. Zu diesem Zweck stellt EW Muster für Vertragsklauseln zur Verfügung, die in Vertrag mit den Lieferanten aufgenommen werden können. Zum einen wird darin geregelt, dass der Lieferant die Produktionsstätten offenlegen muss («Disclosure Form»), indem er alle Namen und Adressen der relevanten Fabriken in der Lieferkette angibt. Zum anderen enthält der Vertrag auch Vorgaben zur Einhaltung von Arbeitsschutzrechten, die im «Kodex» von EW definiert sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Partner*innen von EW bei Verstössen gegen den Kodex Einsicht in den Fabrikbericht nehmen können, Zutritt zu allen relevanten Arbeitsstätten oder Wohnheimen erhalten oder Mitarbeiter*innenbefragungen in Abwesenheit von Autoritätspersonen durchführen können. Zudem verpflichtet sich der Lieferant die Monitoringberichte öffentlich zugänglich zu machen. Bei wiederholten Verstössen gegen den Kodex oder einer Verweigerung zur Behebung der Verstösse, kann die Beschaffungsstelle als Sanktion vom Vertragsverhältnis zurücktreten (Electronics Watch, 2019).

4.2.2.

Herausforderungen für Beschaffungsstellen beim Electronics-Watch-Modell ^

[31]

Eine Herausforderung des EW-Modells ist die Abhängigkeit vom EW-Netzwerk. Die Mitgliedschaft bei EW ist mit Kosten verbunden, die sich nicht alle Beschaffungsstellen leisten können. Allerdings können Beschaffungsstellen Vertragsklauseln zu sozialen Aspekten, wie sie EW vorschlägt, teilweise auch ohne EW-Mitgliedschaft verwenden. So kann z.B. die Klausel, die den Lieferanten verpflichtet, die Standorte seiner Fabriken und die seiner Sublieferanten offen zu legen, auch dann eine Wirkung entfalten, wenn es keine Instanz gibt, die während der Vertragsdauer ein Monitoring durchführt. Denn auf diese Weise wird der Lieferant dazu angehalten, sich mit seiner eigenen Lieferkette auseinanderzusetzen und relevante Dritte sowie humanitäre Risiken zu identifizieren und zu lokalisieren. Um die Auseinandersetzung des Lieferanten mit der Produktwertschöpfungskette weiter zu fördern, können im Rahmen der Zuschlagskriterien auch «Anbieterkonzepte» bewertet werden, in denen der Lieferant aufgefordert wird, detailliert auf Risiken in der Lieferkette hinzuweisen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten, wie z.B. die Transparenz von Auditergebnissen erhöht und Korrekturmassnahmen besser umgesetzt werden können.14 Bestimmte Lösungsvorschläge des Anbieters aus den Konzepten können dann vertraglich fixiert werden (z.B. dass der Lieferant der Beschaffungsstelle über Fortschritte berichtet oder dass Auditergebnisse transparent gemacht und mit der Beschaffungsstelle geteilt werden). Auf diese Weise kann die Beschaffungsstelle, auch wenn sie kein Monitoring durchführen kann, den vertraglichen Rahmen nutzen, um den Lieferanten für Risiken in der Lieferkette zu sensibilisieren und ihn zu verpflichten, über Verbesserungen oder Verschlechterungen zu rapportieren.

[32]

Neben der Abhängigkeit vom EW-Netzwerk besteht wie bei den Sozialaudits das Problem, dass sich die Überprüfung vor allem auf die Endfertigungsbetriebe erstreckt (allerdings gibt es bei EW Pilotprojekte, die das Monitoring auch auf Minen bzw. den Bergbau ausdehnen; siehe Electronics Watch, n. d.). Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen beim Rohstoffabbau und -handel könnte, sofern der Beschaffungsgegenstand dies zulässt, durch eine zusätzliche Vertragsklausel oder durch den Nachweis der Mitgliedschaft des Lieferanten in einer Initiative für konfliktfreien Mineralienhandel näher spezifiziert werden (siehe Kapitel 5 für einen Exkurs zum Rohstoffhandel).

[33]

Ein weiterer potenzieller Nachteil des EW-Modells ist, dass die eigentliche Überprüfung der Fabriken erst nach dem Zuschlag stattfindet, da die Überwachung des EW-Kodex eine Vertragsbedingung ist. Der Lieferant muss 25 Tage nach Vertragsunterzeichnung das Compliance-Konzept vorlegen (Electronics Watch, 2017). Auch wenn der Vertrag Sanktionen bei Verstössen gegen den Kodex vorsieht (z.B. Kündigung des Vertragsverhältnisses), ist diese Option vor allem für Beschaffungsstellen mit langwierigen und planungsintensiven Beschaffungsprozessen ein Risiko.

[34]

Wichtig beim EW-Ansatz ist ausserdem, die «Verhältnismässigkeitsklausel» zu spezifizieren. Der EW-Vertragsentwurf verwendet die Formulierung, dass der Lieferant «angemessene und verhältnismässige Anstrengungen» unternehmen muss, um seine Sublieferanten zu überprüfen und den Kodex umzusetzen. Dies kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein, weshalb festgehalten werden soll, wie der Kodex umgesetzt werden soll und wie diese Umsetzung berichtet wird. Zudem könnte die Formulierung zu einer Verwässerung oder Abschwächung der sozialen Nachhaltigkeitsziele führen, indem die ursprünglich angestrebten Verbesserungen von Arbeitsbedingungen, fairer Entlohnung oder Menschenrechten nicht erreicht werden oder der Lieferant versucht, die Ziele zu umgehen. Die Formulierung «angemessene Anstrengungen» sollte nach Möglichkeit weiter konkretisiert werden und Mindestanforderungen sollten klar als solche dargestellt werden, da die Verhältnismässigkeitsklausel sonst die Definition von messbaren Zielen und Indikatoren erschweren könnte.

5.

Exkurs: Humanitäre Krisen im Schatten der Rohstoffgewinnung – Beschaffung von Rohstoffen aus der Demokratischen Republik Kongo ^

[35]

Die in diesem Beitrag vorgestellten Zertifikate und Monitoringmöglichkeiten konzentrieren sich vor allem auf die Stufe der Endmontage von IKT-Produkten. Doch gerade am Ursprung der Lieferkette, dem Rohstoffabbau, kommt es häufig zu gravierenden Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen. Besonders betroffen davon sind die DR Kongo und ihre Nachbarländer. Seit Jahrzehnten herrschen in der DR Kongo bewaffnete Konflikte. Die sogenannten «Kongokriege» sowie die andauernden gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Rebellengruppen und Milizen stehen in direktem Zusammenhang mit der Ausbeutung von Rohstoffen (vgl. z.B. OHCHR o. d.; Tsabora, 2014; Montague, 2002). Bewaffnete Gruppen versuchen sich meist durch Gewalt den Zugang zu Mineralvorkommen zu sichern oder erkämpfen sich die Kontrolle über Minen (auch Minen des Kleinbergbaus). Die beteiligten Gruppen versuchen dann, die erbeuteten Mineralien auf dem internationalen Markt zu verkaufen (Usanov et al., 2013, S. 57). Über Zwischenhändler gelingt es, die illegal gewonnenen Rohstoffe an westliche Händler zu vertreiben (Montague, 2002, S. 104, S. 107).

[36]

Grosse Teile der Zivilbevölkerung in der DR Kongo leiden stark unter den Kämpfen um die rohstoffreichen Gebiete. Zahlreiche Menschen werden Opfer von Vertreibung, Hunger, medizinischer Unterversorgung und Gewalttaten wie Mord, Vergewaltigung und Entführung.15 Bis zum Jahr 2023 wurden im rohstoffreichen Osten der DR Kongo fast sieben Millionen Menschen aus ihren Heimatgebieten vertrieben (Neiman, 2023; Record High Displacement in DRC At Nearly 7 Million, 2023). In den eroberten Gebieten wird die Zivilbevölkerung wiederum zur Arbeit im Rohstoffabbau gezwungen, wovon in hohem Masse Kinder betroffen sind (vgl. z.B. Cheruga et al., 2020). Die anhaltenden Kämpfe in den kongolesischen Rohstoffgebieten haben zu einer der schwersten humanitären Krisen der Gegenwart geführt.

[37]

Wer IKT einkauft, kommt kaum umhin, direkt oder indirekt Rohstoffe aus dem Kongo zu beziehen. 34% des weltweiten Kobalts und 10% des weltweiten Kupfers werden in Katanga – im Südostkongo – und in Sambia gefördert. In der kongolesischen Region Kivu lagern zudem 60–80% der weltweiten Coltanreserven, die für die Herstellung von Mobiltelefonen, Computern und anderen elektronischen Geräten unentbehrlich sind (OHCHR, o. d.). Was können Einkäufer*innen tun, um die soziale Nachhaltigkeit in den Rohstoffgebieten zu unterstützen? Die OECD-Leitsätze für einen verantwortungsvollen Einkauf von Rohstoffen aus Risikogebieten leistet einen ersten hilfreichen Ausgangspunkt. Die Leitsätze unterstützen Unternehmen, die Konfliktrohstoffe einkaufen, bei der Umsetzung der Sorgfaltspflicht in ihrer Lieferkette. Teilnehmende Unternehmen müssen beispielsweise jährlich Stellung zu ihren Bemühungen beziehen und offenlegen, wie sie die Leitsätze umsetzen. Zudem sind sie verpflichtet, Beschwerdemechanismen einzurichten (OECD, 2019). Der OECD-Leitfaden kann Beschaffungsstellen dabei helfen, ihre eigene Sorgfaltspflicht besser wahrzunehmen und die Bemühungen eines Unternehmens zur Beschaffung konfliktfreier Mineralien zu beurteilen und zu überprüfen.

[38]

Darüber hinaus existieren im Bereich des Rohstoffhandels einige Industrie- und Multi-Stakeholder-Initiativen. Eine der bekanntesten Initiativen ist die «Responsible Mineral Initiative» (RMI).16 Sie verfolgt ein ähnliches Prinzip wie die in Kapitel 4.1.1 erwähnte «Responsible Business Alliance» (RBA). Die Mitgliedsunternehmen der RMI bekennen sich zu einer Verbesserung der Lieferkette im Rohstoffsektor. Ein Ziel der RMI ist die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe herzustellen. Durch Auditprozesse und andere Überprüfungsmechanismen in den Schmelzen und Raffinerien soll sichergestellt werden, dass die Rohstoffe aus dokumentiertem Bergbau stammen und nicht illegal von Rebellen erworben wurden (vgl. RMAP Assessment Introduction vom RMI). Einige Zertifikate wie TCO-Certified oder EPEAT orientieren sich an den Vorgaben von Multi-Stakeholder-Initiativen im Rohstoffbereich und verlangen von Fabriken und Händlern die Umsetzung von Richtlinien zu Konfliktmineralien (siehe z.B. Langer, 2023b und GEC, 2022). Bei Mitgliedschaften in Initiativen besteht jedoch das Problem, dass die Mitgliedsunternehmen nicht verpflichtet sind, die RMI-Prinzipien umzusetzen und Rechenschaft abzulegen und auch Audit-Dokumente der Öffentlichkeit meist nur stark gekürzt oder gar nicht zugänglich sind (Peter, 2023a, S. 17f.).

[39]

Für Beschaffungsverantwortliche, die Rohstoffe aus Risikogebieten beziehen, ist es wichtig zu beachten, dass «frei von Konfliktmineralien» aus humanitären Gründen nicht gleichbedeutend mit «nicht aus der Demokratischen Republik Kongo» sein sollte. Ein genereller Boykott der DR Kongo ist problematisch, da der Rohstoffhandel ein wichtiger Wirtschaftszweig des Landes ist und viele Menschen von der Arbeit in diesem Sektor abhängig sind. Ein Wirtschaftsboykott würde die Handelsstrukturen des Landes weiter schwächen (Peter, 2023a, S. 22). Stattdessen sollte angestrebt werden, Mineralien in der DR Kongo aus dokumentiertem Bergbau (auch aus dem Kleinbergbau) zu beziehen.17

6.

Fazit ^

[40]

Der Artikel hat sich mit der Frage befasst, welche Mittel kleinen bis mittelgrossen Beschaffungsstellen zur Verfügung stehen, die ILO-Kernarbeitsnormen, die gemäss Art. 12 BöB als zwingende Teilnahmebedingungen definiert sind, zu überprüfen. Da IKT-Produkte innerhalb der Lieferketten ein hohes Risiko für Arbeitsrechtsverletzungen bergen, ist die Überprüfung dieser Normen über die Selbstdeklaration hinaus Gegenstand der Sorgfaltspflicht. Der Artikel hat zwei Ansätze identifiziert, die Beschaffungsstellen zur Überprüfung von ILO-Normen verfolgen können: Zum einen die Forderung nach Nachweisen, die auf Sozialaudits basieren, und zum anderen vertragszentrierte Ansätze wie der von Electronics Watch (EW). Beide Ansätze wurden auf ihre Schwächen hin untersucht.

[41]

Die auf Sozialaudits basierenden Ansätze sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass Sozialaudits zunehmend in die Kritik geraten, weil die Inspektionen zu selten stattfinden und Fabrikmanager Verstösse gegen die ILO-Normen zu einfach verschleiern können. Das Problem beim EW-Ansatz ist, dass nur eine Verhältnismässigkeitsklausel eine zu starke Einschränkung des Marktes verhindern kann, was wiederum zu einer Verwässerung der Ansprüche an die soziale Nachhaltigkeit führen kann. Beide Ansätze konzentrieren sich hauptsächlich auf die letzte Stufe der Lieferkette, wobei die Stufe der Rohstoffgewinnung folglich weitgehend unkontrolliert bleibt. Hier müssten Beschaffungsstellen weitere Schritte unternehmen, um auch in diesem Bereich die Einhaltung der ILO-Normen zu überprüfen (siehe Kapitel 5 und Fussnote 17 für weiterführende Informationen). Trotz der diskutierten Schwächen ist die Umsetzung beider Varianten in der öffentlichen Beschaffung empfehlenswert und bedeutet einen Schritt in Richtung sozial nachhaltigere Lieferketten. Gerade im IKT-Bereich braucht es noch mehr Impulse, damit Lieferanten und ihre Sublieferanten soziale Missstände in der Lieferkette angehen. Die öffentliche Hand hat mit ihrer Kaufkraft die Chance, diese Impulse zu setzen.

7.

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Lara Biehl ist Wissenschaftliche Assistentin an der Berner Fachhochschule.

  1. 1 Unter «wichtige Dritte» fallen diejenigen Sublieferanten, die einen erheblichen Bestandteil des Produkts herstellen, eine erhebliche Teilleistung erbringen oder in einem besonders risikoanfälligen Bereich oder Produktionsschritt tätig sind. Siehe zur Terminologie von «Dritten»: Beschaffungskonferenz des Bundes BKB, 2021, S. 12–13.
  2. 2 In der EU werden Unternehmen in Zukunft gewissen Transparenzgrundsätzen in Bezug auf ihre Lieferketten einhalten müssen, wenn das Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Dilligence Directive, CSDDD) in Kraft tritt. Siehe dazu auch den Beitrag von Paula Zimmermann, Kapitel 2.1.4.
  3. 3 Hier ist bemerkenswert, dass es das Gesetz (Art. 12 Abs. 2 BöB) vom Wortlaut her zwar erlaubt, den Nachweis über die «Einhaltung weiterer wesentlicher internationaler Arbeitsstandards» als zwingende Teilnahmebedingungen einzufordern, die Verordnung (Art. 4 VöB) die erlaubten Nachweise jedoch auf diejenigen ILO-Abkommen beschränkt, welche die Schweiz ratifiziert hat. Eine entsprechende Motion (Motion 22.3019 vom 21.02.2022), dies auf alle ILO-Abkommen – unabhängig von der Ratifizierung durch die Schweiz – auszudehnen, wurde abgelehnt.
  4. 4 Inzwischen gibt es 10 ILO-Kernübereinkommen, wobei noch unklar ist, wie die zwei neuen Abkommen Eingang in Gesetzes- oder Verordnungsrecht finden.
  5. 5 Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, die bei der Durchführung einer Risikoanalyse helfen können. Einige Instrumente, wie z.B. die Relevanzmatrix vom Bundesamt für Umwelt, geben einen Überblick über die ökologischen und sozialen Herausforderungen im Produktlebenszyklus verschiedener Produktkategorien und zeigen für jede Kategorie spezifische Handlungsoptionen auf: https://www.bafu.admin.ch/dam/bafu/de/dokumente/wirtschaft-konsum/fachinfo-daten/relevanzmatrix.pdf.download.pdf/relevanzmatrix-gesamt.pdf.
  6. 6 Vgl. z.B. https://www.srf.ch/play/tv/rundschau/video/dumping-auf-der-baustelle-die-methoden-der-eisenleger?urn=urn:srf:video:52e999ef-26f9-4d3e-998b-fb0ae1801f5a als Beispiel, warum Vergabestellen in Sektoren, in denen Verletzungen von ILO-Normen oder Arbeitsrechten bekannt sind, aus Gründen der Sorgfaltspflicht eine vertiefte Prüfung vornehmen müssen.
  7. 7 Siehe auch: Relevanzmatrix des BAFU (Faist & Schlierenzauer, 2020).
  8. 8 Andere Produktzertifikate wie «Blauer Engel» gehen zwar einen Schritt in Richtung soziale Nachhaltigkeit, jedoch zertifizieren sie lediglich bestimmte Produktgruppen oder soziale Aspekte sind nur optional und decken nicht alle ILO-Kernarbeitsnormen ab. Diese Zertifikate können in den Ausschreibungsunterlagen erwähnt werden, sollten aber nicht als alleinige Voraussetzung für die Zertifizierung genannt werden.
  9. 9 Siehe: https://tcocertified.com/de/product-finder/.
  10. 10 Siehe z.B. Amfori BSCI-Systemhandbuch Teil II. (2018) für eine Übersicht der Regelungen und Zertifizierungen.
  11. 11 Obwohl viele Initiativen und Zertifizierer die ILO-Kernarbeitsnormen berücksichtigen, können sich die Prüfungsrichtlinien unterscheiden. Es ist deshalb zu empfehlen, die jeweiligen Auditrichtlinien zu überprüfen und ggf. in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, was als «gleichwertiger» Nachweis bzw. Audit klassifiziert wird.
  12. 12 Siehe Abbildung 2 für einen Überblick über die Auditierungsintervalle der wichtigsten Zertifikate im IKT-Bereich.
  13. 13 Siehe z.B. Amfori. (n.d.) für eine Stellungnahme bezüglich der Überprüfung von Rohstoffgewinnern und -herstellern.
  14. 14 Solche Anbieterkonzepte wurden bereits als Zuschlagskriterien formuliert und danach bewertet. Siehe für eine Musterausschreibung Evermann, 2016.
  15. 15 Siehe z.B. Clashes in Eastern DR Congo Displace 450,000 in Six Weeks, 2023; Democratic Republic of Congo, 2023; Bitala, 2015; Human Rights Watch, 2023a; Human Rights Watch, 2023b.
  16. 16 Andere Initiativen und Programme sind beispielsweise RJC (Responsible Jewellery Council), ITSCI (International Tin Supply Chain Initiative), EPRM (European Partnership for Responsible Minerals), RCI (Responsible Cobalt Initiative).
  17. 17 Eine sehr hilfreiche und detaillierte Übersicht über die Beteiligung und Mitgliedschaft der meisten grossen Lieferanten in Rohstoffinitiativen findet sich in Peter, 2023a sowie eine Checkliste einiger ICT-Lieferanten in Peter, 2023b.